Montag, 30. Juni 2008

Abschied

Nach etwa dreieinhalb Monaten unterwegs, um die 3500 zurueck gelegten Radelkilometer und etwa 1000 Km mit anderen Verkehrsmitteln mache ich mich morgen Nachmittag auf den Weg von Lloret de Mar, wo ich mich gerade befinde, zum Flughafen in Girona, packe mein Kram und irgendwie auch mein Fahrrad ein und fliege dann am Mittwochmorgen Richtung Heimat.
Ich kann es echt kaum noch erwarten.

Bis demnaechst also! Euer Flo

Mittwoch, 18. Juni 2008

Metropolenhopping: Besonders unbesonders

An jenem Punkt, der fuer viele den Beginn einer langen Reise darstellt, geht es fuer mich nun dem Ende zu. Ich zaehle die Tage bereits rueckwaerts, was meiner Reisementalitaet in jedem Falle nicht gut zusteht: Ich reise nur noch mit halbem Herzen, bin weder fasziniert, noch beeindruckt, noch ueberrascht von einer neuen grossen Stadt, die momentan im Fliessbandtempo an mir vorbeirauschen: Porto, Lissabon, Madrid; Zaragoza & Barcelona in spe.
Porto, die fuer mich erste grosse Stadt seit langer, langer Zeit fesselte mich doch noch am meisten, weshalb ich mich fast ein halbes Dutzend Tage dort aufhielt, mir die verwinkelten Gassen der Ribeira anschaute, beeindruckt war von der Doppelbruecke ueber den Rio Douro im Stile des Eiffelturms, und den Strand in Vila Nova de Gaia, sw von Porto, eingehend anschaute und benutzte, da auch dort campierte. Die 30-minuetigen Busfahrten von meinem Campingplatz in die Innenstadt, dabei auf einer der riesigen Bruecken den Douro kreuzend, werden sich mir auch einpraegen, da so gaenzlich verschieden von der deutschen Busfahrermentalitaet: Warum die Tueren schliessen, fragen sich wohl die portugiesischen Busfahrer? Wird doch viel zu stickig! Warum auf die Strasse achten? Warum Ampeln beachten? Warum waehrend der Fahrt nicht quatschen? Nun ja, Portugal ist eben easy-going, laessig schlendern die Menschen durch die Staedte, laessig und mit sehr viel Zeit telefonieren Angestellte in den Touri-Infos mit ihren Liebsten, bevor sie den Touristen Auskunft geben. "Yeah, you like the portugese mentality...as long as you don't live here", wagte es ein Halb-Portugiese (halb-US-Amerikaner) auszudruecken, als ich ihm von meinem Eindruck erzaehlte. Und er hatte so Recht: Ich entschied mich von Porto Richtung Sueden zu radeln, immer mit dem wunderschoenen Nordwind im Ruecken an grossartigen Sandstraenden und Buchten entlang nach Lissabon und machte einen 30Km-Abstecher auf eine Halbinsel, von der laut Schild am Anfang derselben eine Faehre auf die andere Seite uebersetzen sollte. Ich kam also dort an, fand ein verschlossenes Tor zum Kai vor und spaeter jenen Halb-Portugiesen, der mir sagte, die Faehre sei seit Januar ausser Betrieb, zu angeblichen "Wartungsarbeiten", woran er selbst nicht glaube. "Mmmh", meinte ich, "I'd have expected a sign that informs the people about the ferry which is out of order." Und er darauf: "They just don't care..." - Schlussendlich fuhr dann doch eine Art Ersatzboot, das mich mit auf die andere Seite nahm. Zum Glueck, auf 30 Km zurueck strampeln gegen den Wind hatte ich ja sogar keine Lust! Die easy-going Mentalitaet der Portugiesen zeigte sich auch noch spaeter: Siehe weiter unten.
Nach der Durchquerung der Halbinsel fuhr ich an diesem Tag weitere 60 Km, bis nach Figueira da Foz, campierte dort und erholte mich von den 120 Tageskilometern, die aber bei Weitem nicht so anstrengend waren, wie die Haelfte auf dem Camino - dank des immer herrschenden Rueckenwindes und der grossartig flachen Landschaft.
90 Km am naechsten Tag, diesmal etwas huegeliger, fuehrten mich bis nach Nazaré, einer bei Touristen sehr beliebten mittelgrossen Stadt an der Atlantikkueste. Beliebtestes Fotomotiv natuerlich die hoechste Steilkueste Portugals, genau deshalb und nur deshalb ist dieser Ort auch so ueberlaufen - wobei der schoene weitlaeufige Strand auch nicht ausser Acht gelassen werden darf.
Und am naechsten Tag dann schon fuhr ich zunaechst 30 Km, dann etwa 80 Km mit einem Zug, der vollkommen ungeeignet fuer Fahrraeder ist, stieg aus diesem 20 Km nord-oestlich von Lissabon aus, um mir nicht die Einfahrt in diese grosse Stadt nehmen zu lassen. Es ist immer wieder ein kleines Erlebnis fuer die Sinne, derer man sich unter vollster Konzentration bedienen muss, beim Einfahrt in eine Millionenstadt. Ganz ploetzlich werden die Strassen eng und viel befahren. Verrueckte Rollerfahrer kreuzen, Fussgaenger sprinten bei Rot ueber die Strasse, idiotische Halbstarke mit tiefer gelegten Karossen und "breiten Puschen" halten jeden Kreisverkehr fuer ein Karussel auf dem Rummel, Busfahrer halten sich fuer die Staerksten im Verkehr und fahren dementsprechend, Taxis achten auf gar nichts - und mittendrin ich. Ok, los geht's: T-Shirt wieder an, da ich mich Oben-Ohne in der Stadt irgendwie komisch fuehle, Sonnenbrille ab, und ab dafuer: Die Einfahrt nach Lissabon war also irgendwie aufregend. Etwa 10 Km fuhr ich in dichtem Verkehr bis ich irgendwie einen Weg zum Campingplatz gefunden habe, was nicht einfach war, da West-Lissabon nur aus Autobahnen zu bestehen scheint, die ich doch lieber meide. Jetzt, reichlich spaet, habe ich mir sogar angewoehnt vor Ampeln in einen niedrigen Gang zu schalten, was sogar sicherheitstechnisch relevant ist, weil man dann nicht so hin- und herwackelnd anfahren muss. Zwischendurch hatte ich Passagen immer wieder zu schieben, dann aber gemerkt, dass Fahren sicherer ist, weil ich dann insgesamt schlanker bin. Wie dem auch sei, ich habe den Berg Monsanto gekreuzt und dahinter den Campingplatz gefunden, den groessten, den ich je gesehen habe.
Ab dann verblieb ich fuenf Naechte auf diesem, schaute mir Lissabon immer wieder, aber wie gesagt - nur mit halbem Herzen - an, und versuchte nahezu krampfhaft eine Moeglichkeit zu finden Richtung Spanien, Osten - Madrid oder Barcelona - zu kommen. Und da entpuppte sich zum zweiten Mal die oben beschriebene portugiesische Mentalitaet als hinderlich: Weder in Touristenbueros, noch an Bahnschaltern, Busticketschaltern, an Computerterminals oder in Reisebueros bekam ich vernuenftige Auskuenfte ueber die Moeglichkeiten nach Madrid oder Barcelona zu kommen; das immerwaehrende Problem: Mein Radel. Fahrradfahren ist in Portugal, sowie auch in Spanien, erst im Kommen, was man daran sieht, dass kaum Fahrradstaender existieren und auch wenig Leute das Fahrrad als Verkehrsmittel benutzen. Als Sportgeraet wird es haeufig verwendet, aber eben nie in Staedten zu sehen. Nun gut, schlussendlich bekam ich die Auskunft, Fahrradmitnahme sei nur in einem einzigen Bus, der kurz nach Mitternacht in Madrid ankommt, und dann auch nur verpackt moeglich oder in Regionalzuegen, bei denen mir kein Mensch eine Auskunft darueber geben konnte, wie oft ich bis Madrid umsteigen muesste und wieviel das kosten wuerde. Beide Moeglichkeiten kamen fuer mich also eigentlich nicht, oder nur im aeussersten Notfall in Frage. Fluege waren so kurzfristig viel zu teuer. Verzweifelt sah ich also nur die einzige Moeglichkeit darin, privat nach Madrid mitgenommen zu werden. Ich fragte also alle moeglichen Camper auf dem riesigen Campingplatz, fand aber nur einen einzigen, der zum moeglichen Zeitraum in die richtige Richtung fuhr - leider entpuppte sich dieser Mensch als der groesste Idiot: "We have space in our caravan, we could take you with us, but: It's your problem, my dear. I have my own problems, we all have our problems and this is your problem, just your problem, you have to try to find a solution." - er nahm mich also nicht mit, wohl nur aus Prinzipgruenden. Auch Geld, das ich ihm angeboten hatte, konnte ihn nicht umstimmen. Ich wurde ziemlich sauer und zog genervt ab. Also auch diese Moeglichkeit gestrichen. Tja, was machste nun?, dachte ich und verbrachte zwei weitere Tage im gluehendheissen Lissabon um eine Moeglichkeit zu finden: Schlussendlich kaufte ich ein Bahnticket fuer den Nachtzug nach Madrid, weil der Mann am Bahnschalter meinte, er glaube, dass Faehrraeder mitgenommen werden koennten. Falls nicht, dann wird mir das der Schaffner schon sagen (super, um 21.30 Uhr mit eingepacktem Fahrrad und bereits bezahltem Ticket...) Auf die Idee, sich mal zu erkundigen, vielleicht zu telefonieren, ist er natuerlich nicht gekommen. Nun gut, mittlerweile schon genervt von den easy-going Portugiesen riskierte ich es also, demontierte Pedalen, Reifen, Sattel, stellte den Lenker schraeg und packte es unter Zuhilfenahme von Pappkartons ein. Und dann haette ich mir sehnlichst einen Reisepartner zum Transport meines Krams gewuenscht. Dreimal musste ich jeweils beim Ortswechseln latschen und musste immer einen Teil meines Gepaecks unbeaufsichtigt lassen, aber zum Glueck ist nichts geklaut worden. Naja, nun zum Ende der Geschichte: Bahnpersonal erklaerte mir, das Paket sei zu gross, ich koenne es nicht in den Nachtzug mitnehmen. Ich versuchte es trotzdem: Also rein in den Zug, Paket irgendwo hingestellt. Der Schaffner kommt, meint: "Not possible, not possible." - sonst nichts. Loesungen, Alternativen bekommt man hier nie geboten. Ich renne also durch den Zug und finde - zu meinem groessten Glueck - direkt um die naechste Ecke einen grossen Platz fuer Gepaeck, wo mein Rad gepasst hat. Puuuh. Der Schaffner war zufrieden damit. Endlich. Vollkommen fertig, durchgeschwitzt, verbrachte ich die Nacht im Zug und fuhr am naechsten Morgen gluecklich in Madrid ein, meinem Endziel Barcelona ein kleines Stueckchen naeher. Und was ich mir geschworen habe: Nie wieder, ausser zum Rueckflug, werde ich mein Rad einpacken. Dann nehme ich lieber 10x umsteigen in Regionalzuegen in Kauf.
Nach dieser Odysee bin ich also seit gestern Vormittag in Madrid und werde mich noch heute Nachmittag um meine Weiterfahrt nach Barcelona kuemmern; ich hoffe, es wird einfacher als in Lissabon. Von einigen Begegnungen mit beschraenkten Interrailern auf dem Campingplatz in Lissabon abgesehen bin ich seit mittlerweile fast zwei Wochen ohne irgendeine tiefgruendigere Begegnung geblieben. Gestern nur habe ich kurz hier in Madrid einen alleinreisenden Radler getroffen, mit dem ich mich allerdings schwer verstaendigen kann. Witzigerweise ist mir aber da wieder aufgefallen, was der skurillste Gedanke ist, der sich durch die ganze Tour zieht: Jedes Mal, wenn ich einen Alleinreisenden sehe, denke ich: "Oh, der/die Arme, das muss ja total oede sein allein zu reisen, der hat bestimmt keine Freunde.", und habe das Gefuehl mich um den kuemmern zu muessen. Habe sogar mal in Lissabon jemanden gefragt, wie man denn auf die Idee kaeme, alleine zu reisen...? In Anbetracht der Tatsache, dass ich seit fast 100 Tagen allein unterwegs bin, ist dieser Gedanke doch ziemlich komisch, oder? Ich frage mich immer woher er kommt: Merke ich gar nicht mehr, dass ich allein bin? Genuege ich mir einfach selbst? Werde ich langsam schizophren? Ich weiss nicht, aber komisch ist es allemal.
Was zusaetzlich sich noch durch die ganze Tour zieht sind Warnungen: vor den Dieben in Portugal und Spanien, dem Leitungswasser in allen Laendern suedlich von Frankreich, den tollwuetigen Hunden in Lissabon. Ich kann gar nichts von alledem auch nur ansatzweise bestaetigen: Ich habe weder aus dritter, noch aus zweiter und schon gar nicht aus erster Hand einen Diebstahl mitbekommen; ich trinke seit Hannover fast nur Leitungswasser und hatte kein einziges Problem damit, ich bin bisher nicht einmal auch nur ansatzweise krank gewesen (nicht mal Schnupfen hatte ich) und straeunende Hunde sind mir auch nicht zu Gesicht bekommen. Fuer mich ein Beweis dafuer, dass alles immer dramatisiert wird - Reisen ist gar nicht so gefaehrlich, wie es immer dargestellt wird - aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. 13 Tage habe ich ja noch...aber jetzt zum Ende meiner Tour werde ich auch immer vorsichtiger, weil ich nicht moechte, dass mir jetzt noch, kurz vor Schluss, etwas geklaut wird. Aber Leitungswasser trinke ich natuerlich weiter. Bin vermutlich gegen alle Arten von den boesen westeuropaeischen Leitungswasserbakterien resistent.

Ein lieber Gruss an euch, und damit Schluss. Flo

Freitag, 6. Juni 2008

Ich kann's nicht lassen

Niemals haette ich gedacht, dass mich die Einfahrt in die Vorzeigestadt des Christentums, Santiago de Compostela, so wenig emotional beruehren wuerde. Aber ganz genau so war. Dabei hatte ich bei Passieren des Ortseingangsschildes im so haesslichen neuen Teil Santiagos bereits insgesamt mehr als 3100 Kilometer im Sattel zurueck gelegt; mein Ross spurt seit Tours in Frankreich, einem der Wendepunkte meiner Tour, wie ich rueckblickend feststellen kann. Etwa 800 Kilometer meiner Tour bin ich schnurstracks auf dem so genannten franzoesischen Jakobsweg, der kurz vor der spanischen Grenze noerdlich der Pyrenaeen beginnt und sich quer durch Spanien, so etwa 150 Km suedlich der Kueste, bis nach Santiago zieht, geradelt. Als einer der bequemen Pilger habe ich mich zum groessten Teil auf parallel zum Original-Pfad verlaufenen Landstrassen gehalten, um mich, meine Beine und mein Pferd zu schonen. Der Originalpfad ist naemlich nur fuer Fusspilger und wirklich verrueckte, erfahrene Mountainbiker und solche, die denken, sie seien erfahren, geeignet. Die Fahrraeder der Letztgenannten enden meist mit Kettenrissen, Speichenbruechen, vermatschten Zahnkraenzen oder gar gebrochenen Shimano-Kettenschaltungen in einer grossen Pappkiste auf dem Weg nach Hause, da die Schaeden irreparabel sind (dies ist keine literarische Freiheit, die ich mir womoeglich genommen habe, sondern pure Wahrheit).
Deswegen also entschied ich mich fuer den Weg, den mein in San Sebastian gekaufter deutscher Radwanderfuehrer empfohlen hat. De facto jedoch habe ich ihn selten benutzt: In den ersten vier Tagen fuhr ich mit dem Belgier Harry, den zweiten Teil des Weges in der flachen (und laut Reisefuehrer "fuer Deutsche beeindruckend leeren") Meseta-Landschaft hunderte von Kilometern auf der Nationalstrasse gen Westen und schob meinen Speedy Gonzales die darauffolgenden fuenf Tage ueber 100 Kilometer zusammen mit einem Menschen, der mich sehr inspiriert hat und mir verdammt stark ans Herz gewachsen ist, von dem ich mich allerdings fuer den letzten Abschnitt des Caminos 200 Kilometer, d.h. drei Tage vor Santiago getrennt habe. Und genau dafuer, da ich diese letzten drei Tage allein fuhr, war mein Radwanderfuehrer tauglich, sonst - wie gesagt - kaum gebraucht.
Und dann die Einfahrt nach Santiago, die ich nacheinander mit zwei Menschen geteilt habe: Den Teil bis kurz hinter dem Ortsschild "Santiago de Compostela" fuhr ich mit einer blutjungen Kanadierin und die letzten drei Kilometer bis zur Kathedrale, DEM Ziel aller Pilger, mit einem Hollaender im Rentenalter, der von Utrecht (Holland) nach Santiago geradelt ist. Fuer ihn, der immer Santiago als Ziel angepeilt hat, war es eine Riesenfreude. Aufgeregt, nervoes, sogar zitternd bat er mich von ihm und seinem Bock ein Foto vor der Kathedrale zu schiessen, nein, sogar mehrere sollten es sein: Horizontal, vertikal, diagonal, scheissegal. Zum Glueck hatte er einen so erfahrenen Fotografen wie mich am Druecker. Geschickt schoss ich also die Fotos, Dutzende, und machte ihn gluecklich. Ich, immer noch vollkommen unberuehrt von dem Trubel, den Touristen, der Kathedrale entschied mich daraufhin mir trotz meiner Gefuehlslosigkeit die "Compostela", also die Pilgerurkunde, zu holen. "Mr. Kalka, were the Camino based for you personally on religious reasons?", fragt die Frau vom Pilgerbuero mich. Ich antworte wahrheitsgemaess und kreuze auch noch an: "No religious reasons." - das war ein Fehler. Sie kramt unterm Schreibtisch und holt ein lieblos aussehendes DIN A4-Blatt hervor, schreibt meinen Namen und das Datum in die dafuer vorgesehenen Felder und haendigt mir das Pamphlet aus. Ich frage mich kurz, warum die anderen Pilger alle mit einem wunderschoen verzierten Bogen Papier das Buero verlassen, was habe ich bloss falsch gemacht? Und dann kapier ich: Die Religion. Also Notfallplan B: "Errrm, Misses, I thought you asked me if it was based on the christian religion, but actually it was based on my own religion that is called Florianismus, so in fact, it was based on religious reasons for me." - Tja, aber die Frau liess sich nicht ueberzeugen und ich zog etwas gekraenkt ab mit dem "Thanks for visiting Spain" (oder so aehnlich)-Papier.
Nun denn, ein Gefuehlsausbruch blieb also bei mir aus, andere Pilger hingegen (so erzaehlte man mir) brachen zusammen beim Anblick der Kathedrale oder gar der Stelle, unter der der Apostel Jakob vergraben sein soll. Oder sie danken Gott. Oder ihren Fuessen. Die Pilger, ja die Pilger sind schon ein merkwuerdiges Volk. Von Rumheulern, die den ganzen Tag ueber Blasen (haeufigstes Problem), Schmerzen an der Achillessehne (zweithaeufigstes Problem), Sehnenscheidenentzuendungen (Platz 3) oder allgemeiner Fusssohlenueberempfindlichkeit (Platz 4) sprechen bis hin zu Einmischern, die einem die Ruhe durch ihre staendige "Holá" und "Buen Camino"-Wuenscherei nehmen, ist alles dabei. Zu den Rumheulern meinte der Mensch, der mir so sehr ans Herz gewachsen ist: "Flo, weisst du, warum die alle so viele Probleme haben? Weil sie staendig drueber reden!" - ist vermutlich was Wahres dran.
Oh mein Gott, ich merke, es hoert sich wieder alles ein wenig negativ an. Nein, falsch! Der Camino war toll, ich habe ihn sehr sehr sehr genossen, mit Leib und Seele. Fuerwahr! Ich wuerde ihm jedem von euch weiterempfehlen. Alle paar Kilometer sind Pilgerherbergen, die meist von sehr sehr netten Freiwilligen gefuehrt werden und sehr wenig bis gar nichts kosten. Als Fusspilger bekommt man immer ein Bett, oder - falls voll - zumindest eine Matratze. Als Fahrradpilger ist man manchmal nicht so gern gesehen, deshalb empfehle ich auch den Weg zu Fuss zu gehen. Es ist mit grosser Sicherheit ein tolles Erlebnis, eine eindrucksvolle Erfahrung, die sich einpraegen wird. Jedoch darf man zwei Fehler meiner Meinung nach nicht machen: Mit grossen Erwartungen an die Sache rangehen und einen zeitnahen Rueckflug gebucht haben.
Ersteres fuehrt zu grossen Enttaeuschungen bei der Ankunft in Santiago. Wie viele Pilger habe ich kennen gelernt, die der Meinung waren, all ihre Probleme waeren ploetzlich aus dem Weg geraeumt, oder dass sie nach den vier Wochen ein ganz anderer Mensch sein werden, oder dass sie unglaublich viel abgenommen haben werden, oder dass sie ploetzlich tolerant sein werden, oder dass sie ueber die Trennung ihrer Eltern hinweggekommen sein werden oder dass sie endlich wissen, was sie erreichen wollen im Leben, oder oder oder...die Liste ist endlos.
Zweiteres ist ebenfalls toedlich: Ein Termin fuehrt zu Zeitdruck und dieser zu innerer Unruhe. Das merke ist selbst jetzt schon, da ich weiss, dass ich in 25 Tagen in Barcelona sein muss. Und bei den Pilgern ist es ungleich schlimmer: Sie zwingen sich ein Tagespensum von vielleicht 30 Kilometern zu gehen, um ja rechtzeitig Santiago zu erreichen. Die Folge ist, dass das erste Weckerklingeln um 4.30Uhr ist und das Tuetenraschelkonzert um 5.30Uhr beginnt, um ja einen Platz in der 30Km entfernten Herberge zu ergattern. Dies ist aber nur ein Teil der Pilger, die das so machen, die so genannten Stresspilger. Viele andere sind relaxter, gehen nur so weit, wie sie wollen, wie ihre Fuesse sie tragen und machen auch mal einen Tag Pause zwischendurch. Diese Gattung war mir doch wesentlich sympathischer.
Ok, ich denke, ich habe euch genug erzaehlt vom Camino, obwohl mein Hirn immer noch voll ist mit Eindruecken und Erfahrungen, die ich preisgeben moechte, aber das dann zu Hause. Dazu gehoert meine persoenliche Pilgerkategorisierung (man schlug mir vor, ich solle doch ein Buch ueber die Pilgergattungen schreiben, aber ich mach's nicht, weil doch sonst wieder so viel mehr Deutsche mein Buch lesen und den Weg noch populaerer wird) und auch die Begegnungen mit den wirklich interessanten Menschen, wie der Tschechin, die so Dinge gesagt hat wie: "The camino is a mirror of life." oder dem Deutschen, der den Camino als "komprimiertes Leben" bezeichnet hat. Aber wie gesagt, dazu zu Hause mehr.
In Santiago angekommen habe ich mir mehrere Tage Auszeit genommen, in einer esoterisch angehauchten Herberge uebernachtet, Seifenblasen gemacht, viele Pilger, die mir von frueher bekannt waren, wiedergetroffen und bin fuer einen Tag mit der schon erwaehnten Kanadierin nach La Coruna mit dem Bus gefahren. Konnte sogar noch auf der Fahrt dorthin endlich mal wieder meine Sanni-Kenntnisse anwenden: Eine junge Frau hat ploetzlich einen epileptischen Anfall mit anschliessender Bewusstlosigkeit bekommen, was dazu fuehrte, dass ich dahin gestuermt bin und gemerkt habe, dass die traditionelle stabile Seitenlage im engen Gang des Busses nicht funktioniert, naja, hab sie irgendwie auf die Seite gelegt bekommen und ihre Zunge mit ner Packung Taschentuecher, die ich ihr zwischen die Zaehne gestopft habe, geschuetzt. Nach ein paar Minuten kam der Rettungswagen und sie konnte professionell versorgt werden. Die junge Kanadierin war danach fertig mit den Nerven, obwohl sie das alles nur aus der Entfernung, ein paar Reihen weiter vorne, mitbekommen hat. Sie meinte immer: "I thought she was gonna die...oh my god." - hab sie beruhigt bekommen und somit konnten wir den anschliessenden Tag in La Coruna am Kieselstrand doch noch ein wenig geniessen.
Am darauffolgenden Tag habe ich grossartiges Spuelmittel gefunden und damit Riesenseifenblasen gemacht, die mir einen ordentlichen Betrag eingebracht haben. Als i-Tuepfelchen kamen dann noch zwei junge Fernsehreporter von einem Lokalsender und haben mit mir 'nen Interview fuer die Sendung "Mach, was du willst" gemacht und mich mit den Blasen gefilmt. Wenn der Beitrag fertig geschnitten ist, sendet er ihn mir per Mail, hat er zumindest versprochen. Da ich nur auf Englisch antworten konnte, habe ich mir noch schnell den naechsten Passanten geschnappt, der dann unfreiwillig auch im Rampenlicht stand und alles, was ich gesagt habe, uebersetzen sollte. Hehe, ich glaub, der war da nicht so gluecklich drueber :)
Kurz vor dem Interview haben mich Polizisten des Platzes verwiesen, weil ich ja keine "Licencia" haette...ich koenne sie im Rathaus bekommen, meinten die. Naja, den Spass wollte ich mir nicht nehmen und bin tatsaechlich dahingestifelt und habe versucht, mir diese Lizenz zu holen. Da jedoch niemand der Buerokraten wusste, wo ich hingehen musste (wurde viermal zu anderen Bueros geschickt) und da ein Strassenkuenstler mir sagte, das mit der Lizenz sei nur Theorie, in der Praxis gibt es die gar nicht, hab ich's aufgegeben und einfach auf 'nem anderen Platz weiter gemacht, wo dann die Fernsehkerle kamen. Also, ihr seht: In Spanien ist's mit der Buerokratie genauso gestellt wie in Dtld. - niemand ist zustaendig...
Na ja, nach Santiago wollte ich dann eigentlich das Radfahren erstmal aufgeben (schon wieder) und mit dem Zug nach Porto fahren. Tja, ich bin aber nur bis nach Vigo kurz vor der portugiesischen Grenze gekommen, wo ich zum Glueck die beiden sehr sehr netten und unkomplizierten Muensteraner getroffen habe, die auch Richtung Porto unterwegs waren. Das Paerchen, ehemals Kollegen, bestehend aus einem Mittvierziger und einem Mittfuenfziger macht seit 26 Jahren JEDES Jahr genau eine Woche Radtour und hat mich unter die Fittiche genommen. Fuer mich war das ein wahres Glueck, weil ich sonst naemlich mit dem Zug nach Porto gefahren waere, was - wie ich jetzt im Nachhinein festgestellt habe - ein grosser Fehler gewesen waere. Ich fragte sie beiden also am Bahnhof in Vigo, ob sie was dagegen haetten, wenn ich sie ein Stueck begleiten wuerde, was sie verneint haben. Aus dem "Stueck" wurden dann zwei Tage und zwei wunderbare Naechte in einer parkaehnlichen Anlage direkt an der portugiesischen Grenze, allerdings noch in Spanien und am Atlantik-Strand 25 Km noerdlich von Porto. Heute Mittag haben wir uns wieder getrennt, die beiden sind von Porto aus nach Hause geflogen und ich bin jetzt hier auf einem Campingplatz und geniesse die Sonne, die ich auf dem ganzen Camino sehr selten gesehen habe. Dafuer umso mehr den Regen. Ich bleibe jetzt ein paar Tage in Porto, das auf den ersten Blick eine echt tolle Stadt ist, treffe hier eventuell nochmal auf die Kanadierin und fahre dann - vermutlich wieder mit dem Rad - weiter die Kueste entlang nach Lissabon, um - so meine jetzige Planung - von dort ueber Madrid mit dem Zug oder Bus nach Barcelona zu fahren, wo ich meine letzte Woche verbringen werde.
Die naechsten Tage werden wohl fuer mich auch zum Teil von der Europameisterschaft gepraegt werden, die Stadt ist jetzt schon auf den Beinen und ueberall haengen portugiesische Flaggen. Auf dem Grossbildschirm am Strand werde ich hoffentlich am Sonntagabend Deutschland vs. Polen schauen koennen. We'll see.
Also liebe Leute, passt auf euch auf! Schoenen Dank fuer die Kommentare und ihr seid natuerlich wieder eingeladen, hier ein paar Gruesse oder gern auch Konkreteres zu hinterlassen. Bald, bald bin ich wieder im Lande mit einem Riesenbuendel an den eindrucksvollsten Fotos, die ich je auf einer Reise gemacht habe.

Euer Flo

Sonntag, 18. Mai 2008

Buen Camino!

Wir schreiben den 18. Mai 2008 und befinden uns in Burgos, in der Provinz "La Rioja" in Spanien. Vor fuenf Tagen, in San Sebastian an der nordspanischen Atlantikkueste, 20 Km von der franzoesischen Grenze entfernt, habe ich entschieden, mein Reisekonzept zu ueberarbeiten und nunmehr per pedes, das Fahrrad mehr neben mir her schiebend und Zuege bevorzugend, mein viertes Reiseland, Spanien, zu erkunden.
Sei es drum, ein Tag Entspannung in San Sebastian, eine Unterhaltung mit einer deutschen Jakobswegfanatikerin und meine ploetzlich wieder unbaendige Lust den Esel zu satteln, fuehrten dazu, dass ich mittlerweile seit 250 Km wieder im Sattel sitze und den Camino de Santiago, den Pilgerweg schlechthin, Richtung Santiago de Compostela abfahre. Ich startete den Weg zum angeblichen Grab des Apostels Jakob in Pamplona, etwa 750 Km vor Santiago. Um nach Pamplona zu kommen, entschied ich mich, da sehr bergige 100Km vor mir gestanden haetten, den Zug von San Sebastian bis nach Pamplona zu nehmen. Eine richtige Entscheidung, die aber dem Fahrradfahren nur etwas nachstand, soll heissen: Spanische Vorortzuege, solche, die Fahrraeder mitnehmen, was selten ist, sind dennoch ueberhaupt nicht fuer Drahtesel geeignet. Eine 60cm-Tuer und drei Stufen aufwaerts musste ich das Fahrrad hieven, wobei mir Zelttasche und Schuhe unter den Zug auf die Gleise gefallen sind. In einer waghalsigen Aktion, die aber vom Schaffner offensichtlich als vollkommen in Ordnung empfunden und abgenickt wurde, kletterte ich unter den Zug, holte meinen Schuh, achtete aber darauf, die ganze Zeit Blickkontakt mit dem Lokfuehrer zu haben, der die Aktion von seinem Seitenfenster aus beobachtete. Er war mir wohl gesonnen, wartete geduldig und fuhr erst los als auch meine dann durchloecherte Wasserflasche den Weg in den Zug gefunden hatte. Mehrere Stunden spaeter, mit einem Zugwechsel an einem Bahnhof im Nirgendwo (es halten dort 3 Zuege taeglich), kam ich in Pamplona an, erschoepft und ausgelaugt vom Zugfahren (!), hatte aber noch mehrere Kilometer im Dauerregen bis zur Herberge zu fahren.


Dauerregen ist ein gutes Stichwort. Vor einer Woche etwa befand ich mich in Biarritz, campierte dort fuer zwei wunderbare Naechte im Garten einer bei Surfern beliebten Jugendherberge in Anglet (bei Biarritz), hatte den Tag Auszeit aber leider keine wirklich gute Moeglichkeit den wunderschoenen Strand zu besuchen, weil der Regen mir leider einen Strich durch die Rechnung machte. Dafuer waren die paar hundert Kilometer bis nach Biarritz, die ich durchgaengig auf wunderbar ausgebauten Fahrradwegen an der atlantischen Kueste von La Rochelle suedwaerts geradelt bin, von Sonnenschein gepraegt. Pausen fuer Fruehstueck, Brunch und After-Brunch (eine von mir zusaetzlich eingefuehrte Essensgelegenheit) konnte ich immer an einsamen, noch nicht von Touristen ueberlaufenen Straenden einlegen. Sowieso ist dieses Gebiet an der Atlantikkueste, angefangen von Soulac-sur-mer, das an der noerdlichsten Spitze der grossen Halbinsel bei Bordeaux liegt, bis nach Hendaye an der Grenze zu Spanien, mein bisher mit Abstand schoenstes Radelgebiet gewesen. Vor allem die Bordeaux'sche Halbinsel eignet sich HERVORRAGEND fuer Fahrradtouren, kann ich jedem nur weiterempfehlen. Mehrere hundert Kilometer top ausgebaute Fahrradwege, fast immer zweispurig, Campingplaetze én mass, Strandfeeling, blaues kristallklares Wasser mit Surferwellen und viele grosse Nadelwaldgebiete, einfach wunderschoen. Noch dazu gibt es eine sehr gute Fahrradbroschuere fuer diese Region, zu bekommen an jeder Touristeninformation. Ich war echt total begeistert. In diesem Freudentaumel traf ich in Lacanau-Ozean, einem unter Surfern und auch anderen Touristen sehr beliebten Ort am Meer, innerhalb von wenigen Minuten auf eine verwirrte, und frustrierte, aber urnette deutsche Jugendliche, die ein Praktikum in der Touristeninfo in Lacanau absolvierte und auf Flo & Sorina, die beiden grossartigen urspruenglich Hamburger und Oldenburger, die mit ihrem VW-Bus fuer wahrscheinlich mehrere Jahre durch Europa touren und vielleicht in Barcelona sesshaft werden wollen. Da fuer mich eine Nacht am Strand bevorstand, nahmen sie mich auf, ich aenderte spontan meine Plaene und blieb eine weitere Nacht in Lacanau. Ich konnte in ihrem Bus schlafen, den sie vor einem Campingplatz abgestellt hatten. Duschen und Klos waren entweder im Wald neben dem Bus oder auf dem Campingplatz zu finden. Sorina pinkelte in den Wald, ueberschwemmte den Bau einer Spezies von mutierten Riesenameisen und bekam dafuer von den suessen 1cm langen Ameisen die Quittung: Neun Ameisenbisse am Hintern, die in kurzer Zeit anschwollen und juckten. Meine Fenistil-Salbe, die Sorina zum grossflaechigen Einreiben ihres Hintern genutzt hat, konnte etwas Linderung verschaffen. Ich konnte ihre Pein wegen des Juckens nachvollziehen. Mein schrecklicher Rueckensonnenbrand fing in Blois, noch am Loire-Fluss, um 23Uhr abends an wie Hoelle zu jucken. Trotz der grandiosen Jugendherberge, in der ich mich da befand, konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen. Es war schrecklich. Kalte Dusche half auch nicht. Sorinas Jucken endete zum Glueck noch am selben Abend. Flo und ich versuchten sie abzulenken, indem wir die Verwirrte von der Touri-Info besucht haben, von ihr vollkommen durcheinander gebracht wurden (wie das passiert ist, ist nicht in Worte zu fassen), in ihrer Herberge Klopapier geklaut haben und daraufhin vom Herbergsvater lautstark hinausgeworfen wurden. Sorinas Jucken war danach aber beendet. Erfolgreiche Heilung.

Der Tag in Lacanau war gepraegt von Sonne, Sonne, Sonne. Zum ersten Mal auf dieser Tour habe ich einen kompletten Tag am Strand eingelegt und deshalb schon wieder, trotz Sonnencreme, einen Sonnenbrand geerntet, diesmal an den Fuessen, die ja noch nicht vorgebraeunt waren. Fahrradfahren konnte das dennoch nicht verhindern: Trotz eines anstehenden Surfcontests am naechsten Tag, fuhr ich weiter zum bekannten Ort Arcachon und campierte suedlich davon am bisher schoensten und trotzdem guenstigsten Campingplatz an der hoechsten Sandduene Europas, der "Dune du Pilat". Ich erkletterte natuerlich die mehr als 100m hohe Duene und wurde vom Anblick dieser Duene, der Umgebung, des Meeres im Osten und des wie Regenwald aussehenden Gebietes Richtung Westen schlichtweg ueberwaeltigt. Das war einer der Momente, die mich immer wieder auf der Tour heimsuchen, in denen ich denke: "Waerst du doch jetzt bloss nicht allein, diesen Moment wuerde ich gerne mit jemandem teilen, die Moeglichkeit haben, mich mitzuteilen". Direkt an dieser Duene war mein Campingplatz, mein Zelt am Fusse dieses riesigen Sandberges, der mir ein Wuestenfeeling eingebracht hat. Ich verbrachte den Abend mitsamt Sonnenuntergang nahezu allein auf dieser Duene (die Tourizeit hat eben noch nicht begonnen) und genoss den Ausblick. Wahhhhnsinn!

(Bild rechts: Atlantik etwas suedlich von Biarritz)

Und weiter ging es, immer Richtung Sueden, immer Richtung spanische Grenze. Irgendwo zwischen Biarritz und Lacanau kommen mir ploetzlich zwei offensichtlich Fernradler, ein Paerchen, entgegen. Die ersten ihrer Gattung, die ich auf meiner Tour treffe, und das nach acht Wochen on the road. Sie stammen aus San Sebastian, sassen ihren fuenften Tag im Sattel von (und jetzt haltet euch fest!) einer eineinhalbjaehrigen Tour. Zunaechst wollen sie es ganz ruhig angehen lassen, locker durch Frankreich nach Frankfurt radeln - und dann nach Alaska fliegen, von dort aus suedwaerts die Panamericana runter nach Chile radeln, bis Weihnachten 2009. Und ich dachte, meine Tour sei schon nicht schlecht, aber das: Fast unschlagbar. Voellig euphorisch (hatten wohl noch keinerlei Probleme mit ihren Faehrraedern) baten sie mich ein Gruppenfoto machen zu duerfen, taten das und veroeffentlichten es. Wer also von mir das aktuellste Foto, sowie die beiden sehen moechte, gehe auf deren Blog (natuerlich haben sie auch einen Laptop dabei auf ihrer Tour....), scrolle runter zum "Sabado, 10 Mayo 2008" und finde dort ein Foto von mir mit den beiden. Klicken vergroessert, was aber nicht unbedingt sein muss. Hatte bereits viele Kilometer an diesem Tag hinter mir und deshalb eine merkwuerdig anmutende Loewenmaehne...trotzdem hier die Adresse: http://www.enbicialsur.com/ - das Hawaii-Hemd musste sein, weil alles andere nicht mehr anzuziehen war...

Und nun also, ueber die Stationen Biarritz und San Sebastian, befinde ich mich auf dem Jakobsweg. Ein paar Kilometer nach meinem Start in der mich umwerfenden Herberge in Pamplona traf ich auf den pensionierten belgischen Grundschulleiter Harry (61 Jahre alt, auf dem Bild neben mir zu sehen), mit dem ich bereits nach kurzer Zeit fast sowas wie eine Freundschaft aufbauen konnte. Vier Tage radelten wir ab dann zusammen, 65, 63, 80 und 61 Kilometer, ueber Stock und Stein, doch meist befestigten Wegen. Zum Teil war es sehr huegelig, fast schon bergig, Steigungen bis 10%. Der Harry nahm das zum Anlass, den niedrigsten Gang zu waehlen und mit 6 bis 7 Km/h die Steigungen zu bewaeltigen. Ich entschied mich meist dafuer, mein Fahrrad zu schieben, weil meine Uebersetzung nicht so gut ist wie seine. Nichtsdestotrotz war ich kaum langsamer. Der Harry, der den Camino in Antwerpen, Nordbelgien, gestartet hat und seit vielen, vielen Tagen ohne Pause geradelt ist, war dennoch immer noch topfit und motiviert. Ich hingegen brauche nach vier Tagen am Stueck radeln nun meine wohlverdiente Pause, die ich heute in Burgos, einer mittelgrossen Stadt, einlege. Wie Harry immer zu sagen pflegt: "Florian, take your time! Enjoy the camino. " - ich nehme eben auch das zum Anlass, mich zu rehabilitieren und den Harry wieder seiner eigenen Wege gehen zu lassen. Wir beiden haben es genossen, mal mehrere Tage nicht allein unterwegs zu sein, keine Angst ums Fahrrad beim Einkaufen zu haben, weil immer einer bei den Raedern bleiben zu kann, sich gegenseitig zu motivieren. Ich waere sehr gerne mit ihm weiter gefahren, aber es ist mir einfach zu hart. Ich brauche meine Pause. Zum Glueck haben wir gestern den Hans getroffen, einen Niederlaender aus Den Haag, mit dem Harry heute weiter gezogen ist. Ich fuer meinen Teil werde wohl morgen alleine weiterfahren. Harry hat mich stark inspiriert, immer wieder zum Denken angeregt und auch zum Lachen gebracht. Als wir in einem 80-Betten-Schlafsaal in Nájera untergebracht waren, dankte er seiner Bettnachbarin fuer die ockerfarbenen Ohropax, die sie ihm gab, mit den Worte: "You just gave me two pieces of gold." - irgendwie war das wahr, die schnarchenden Maenner trugen naemlich des Nachts einen Wettbewerb aus. Gespraeche ueber Erziehung, fuer die er natuerlich Spezialist ist, waren immer sehr spannend: "Florian, let's discuss about 'Fuehren oder wachsen lassen?'" - bei einer Flasche Wein, die hier bei jedem Abendessen inbegriffen ist, funktionierte das Diskutieren natuerlich umso besser ;) - mit dem Harry habe ich viele Erlebnisse teilen koennen: Er wartete geduldig, als ich meinen zweiten Platten am Vorderreifen flicken musste; ich wartete, als er versucht hat einem Schlagloch auszuweichen und dabei seitlich ueber den Lenker abgestiegen ist, zum Glueck hat er jahrelang Judo gemacht, und konnte sich deshalb elegant abrollen: "This was my judo reflex", sagte er, nachdem wir festgestellt hatten, dass das Resultat nur ein blauer Fleck am Knoechel und kleinere Schmerzen im rechten Arm war. "I was very lucky", pflegte er zu sagen. Seine Geschichten, die er stets nachts in den Pilgerherbergen beim Gang zur Toilette erlebt hat, waren auch immer wieder erheiternd: "I went to the toilet at midnight and there was an Italien guy sitting in the middle of the room in some kind of a yoga position. In front of him two red candles and he was praying. At three o'clock I went to the toilet again and he was still sitting there. That's crazy!" Das ganze spielte sich in meinem Raum ab, wovon ich aber nichts mitbekam. So war ich also heute ein bisschen traurig, als unsere Wege sich trennten. Ich werde heute noch so um die 5 bis 10 Kilometer fahren um zur naechsten Pilgerherberge zu kommen. In der Herberge, in der ich letzte Nacht geschlafen habe, darf ich nicht eine weitere Nacht bleiben, obwohl ich angeboten habe, auf meiner eigenen Isomatte auf dem Boden zu schlafen, aber der Verantwortliche schmiss mich wuetend raus...Zum Glueck gibt es hier auf dem Jakobsweg alle paar Kilometer Herbergen, die von 0 bis 5 Euro pro Nacht kosten. Und nun noch ein paar Worte zum Jakobsweg selbst und den Pilgerherbergen: Als ich in Pamplona in meiner ersten Herberge ankam, war ich vollkommen ueberwaeltigt. Ein riesiger Schlafsaal, hunderte von Ruecksaecken, Jakobsmuscheln und Wanderstoecken und viele, viele Menschen dort. Sowas hatte ich noch nicht erlebt bisher. Wunderbare Waschraeume und eine Kueche rundeten das Bild ab. Ich habe mehrere Stunden gebraucht um das ueberhaupt begreifen zu koennen, was ich da erlebe. Es aenderte sich dann schlagartig mein Tagesablauf: Aufstehen um etwa 6 (sonst bin ich meist zwischen 9 und 10 aufgestanden), Rausschmiss ist spaetestens um 8 Uhr, dann Radeln bis um 2 zu einer weiteren Herberge und den Nachmittag in voelliger Ruhe und Entspannung (so lange der Raum noch nicht ueberfuellt ist) verbringen. Ab 3 Uhr kommen die Fusspilger, meist ab 5 Uhr ist die Herberge voll. Und das ist das Schlechte an dem Jakobsweg: Es sind so viele Leute unterwegs (siehe Bild unten links...Pilgerautobahn), dass man um einen Platz in der naechsten Herberge kaempfen muss, sprich: Die Leute stehen immer frueher auf, manche gehen u, 5.30 Uhr morgens los um frueh genug an der naechsten Herberge zu sein, es ist kein entspanntes Gehen und Geniessen des Weges mehr, sondern mehr ein Wettbewerb - und woran liegt das? An den Deutschen! Ich schaetze, dass neben Japanern, Australiern, Kanadiern, Spaniern, Franzosen und so weiter allein die Deutschen mehr als 50% (einige Pilger meinen mehr als 70%) der Pilger ausmachen. Es ist enorm, fast nicht zu glauben, ich fuehle mich oft wie in Deutschland, weil um mich herum fast nur deutsch gesprochen wird. Und was ist der Ausloeser? Hape Kerkelings Buch. Fragt man die deutschen Pilger, so haben sie alle das Buch gelesen, aber niemand will deshalb sich auf den Weg gemacht haben, keiner gibt es zu. Alle sagen sie: "Die Idee hatte ich aber schon bevor das Buch herausgekommen ist"...dazu sag ich nur: "Jaja...". Tja, das Pilgern auf dem Hauptweg hat etwas Touristisches, Kommerzielles bekommen. Geschaeftsmaenner, reiche Menschen, gehen in Deutschland zum ersten Mal in einen Outdoor-Shop, kaufen das Teuerste, was es gibt, und machen sich dann auf den Jakobsweg, deren erster Urlaub dieser Art. Hoert man meine Kritik? Was solls, zumindest tun sie etwas, zumindest begeben sie sich mal raus und erleben ein Stueck weit ein Abenteuer, und ganz nebenbei: Die guten Menschen vergessen immer wieder ihre Ausruestung in den Herbergen, was mir bereits ein ultragutes Mikrofaser-Superabsorb-Handtuch mit Mini-Packmass und einen Spanischuebersetzer eingebracht hat. Ich denke, am Ende des Camino werde ich meine kompletten Klamotten einmal ausgetauscht haben, in jeder Herbergen gibt es Massen an neuem Kram. So, ich spreche abwertend, aber nichtsdestotrotz empfehle ich (ganz ernsthaft) diesen Jakobsweg weiter an alle Leute, die sowohl Abenteuer als auch ein Stueck weit Sicherheit suchen. Entlang des Weges gibt es naemlich Massen an Unterkuenften (von kostenlos bis 5-Sterne-Hotels ist alles dabei), es gibt viele Shops zum Essenkaufen und bei Unfaellen kann man sicher sein, dass in den naechsten 2 Minuten der naechste Pilger mit nem Handy vorbeikommt. Der Rettungsdienst kennt den Weg natuerlich in- und auswendig. Also Leute: Ihr wollt Sicherheit, Abenteuer, koerperliche Anstrengungen bis zur voelligen Erschoepfung, aber auch schoene Entspannungsphasen? Geht den Camino de Santiago! Von St. Jean-Pied-de-Port in Frankreich bis nach Santiago in Westspanien sind es etwa 950 Km, was 5 bis 6 Wochen zu Fuss dauert. Es ist sicher ein echtes persoenliches spannendes Erlebnis!

So, das dazu.

Und jetzt noch kurz zu meinen Zukunftsplaenen: Ich habe mich jetzt endgueltig entschieden, die Tour Anfang Juli aus verschiedenen Gruenden zu unterbrechen und von Barcelona aus nach Bremen zu fliegen. Ich weiss leider noch ueberhaupt nicht, wie mein Weg nach Barcelona aussieht, moechte aber mindestens die letzte Woche in dieser Stadt, die mir immer wieder empfohlen wird, verbringen.

In Deutschland versuche ich dann viel zu arbeiten, mir Geld fuer die naechste Tour anzusparen und mich dann in andere Gebiete dieser Welt zu wagen, als ewiger Wanderer.

Falls jemand von euch jemanden (Firma, Verein, etc.) kennt, der gerne eine Homepage haette, ich stehe nach meiner Rueckkehr fuer jegliche Webdesign-Projekte zur Verfuegung.

Soo, jetzt ganz liebe Gruesse, bis zum naechsten Eintrag, euer Flo

Sonntag, 4. Mai 2008

Klack, Klack, Klack, Klack, Klack - und Paris

Es viel Zeit vergangen seit dem letzten Eintrag, den ich mir eben nochmal durchgelesen habe und feststellen musste, dass er unheimlich partizipienlastig ist. Der Grund dafuer liegt wahrscheinlich in der partizienliebenden Schreibweise von Guenter Grass, dessen Buch ich die letzten Wochen gelesen habe und auch darin, dass ich hier fast nur Englisch spreche und diese Sprache Partizipien auch viel haeufiger gebraucht als die Deutsche.

Wie auch immer, ich werde versuchen mich zu bessern und einfach mal in simpler strukturierten Saetzen zu schreiben:

La Rochelle - so heisst der Ort, in dem ich mich bereits jetzt befinde. Gestern habe ich mein 50-taegiges Jubilaeum mit 148 Radelkilometern von Thouars ueber Parthenay und Niort nach La Rochelle gefeiert und bin deshalb viel schneller als erwartet am atlantischen Ozean angekommen. Am Tag zuvor habe ich bereits 113 Kilometer von Tours nach Thouars (ja, das sind zwei unterschiedliche Staedte!) zurueckgelegt und dachte, diesen Rekord koenne ich kaum noch ueberbieten. Tja, der Wind stand aber guenstig, das Land war meist flach und die Sonne schien mir ins Gesicht. Unter diesen Bedingungen kann man durchaus knapp 9 Stunden im Sattel sitzen und knapp 150 Kilometer zuruecklegen. Dazu kommt noch, dass mir 15 Kilometer vor Orlèans, mitten im Wald unter lautem Klack, Klack, Klack, Klack, Klack 5 Speichen gebrochen sind, natuerlich vom Hinterrad. Was also laut anderen Fernradlern jedem Fernradler mal passiert, ist also auch mir passiert. Ich musste die restliche Strecke schiebend zuruecklegen und habe mir in Orlèans einen neuen Hinterreifen gekauft. Zwei Tage spaeter, in Thours, ist mir dann auch noch der (zu diesem Zeitpunkt noch alte) Mantel geplatzt und hat den Schlauch mit in den Tod gerissen. Dies bedeutete fuer mich, dass ich zu einer Verabredung nicht rechtzeitig kommen konnte und daher die Maaike, einer hollaendischen Grundschullehrerin, die das jetzt hoffentlich liest und versteht, leider nicht mehr angetroffen habe. Der Fahrradladen war noch auf, ich habe mir in Rekordzeit neuen Mantel und Schlauch gekauft, durfte in die Werkstatt und alles selbst auswechseln, bin dennoch 20 Minuten zu spaet gekommen und Maaike war nicht mehr da. Da der Mantel nicht richtig sass und der naechste Tag der tolle 1. Mai war, musste ich einen ungeplanten Tag Auszeit in Tours nehmen und konnte mit wieder neuem Mantel erst am 2. Mai weiter radeln und von da an funktionierte alles super.

Ein wenig Sorgen mache ich mir momentan um meinen Gesundheitszustand; mir ist gestern kurz vorm Duschen aufgefallen, dass ich betraechtlich abgenommen habe, was ich auf die meist eher schlechte Ernaehrungslage zurueckfuehre. Es ist nicht so, dass ich wenig esse, aber ich esse sehr eintoenig. Nehme mir fuer die naechsten Tagen vor, reichhaltigere Kost zu mir zu nehmen, obwohl die Zubereitung von Mahlzeiten in meinem Kocher, die aus zwei oder gar drei Komponenten bestehen, immer mit enormen Aufwand verbunden ist. Aber es muss wohl sein. Des Weiteren sind mein Ring- und kleiner Finger der rechten Hand seit der Monsteretappe von gestern bis jetzt gefuehllos. Ich kenne das mittlerweile, dass mir nach 50 Kilometern die Finger einschlafen, aber bisher sind sie immer wieder aufgewacht. Hoffe, dass ich keine groesseren Durchblutungsstoerungen habe; naja, ein paar Tage schaue ich mir das noch an.

Mein schrecklicher Sonnenbrand am Ruecken von vor einer Woche ist mittlerweile abgeheilt; er hat mir schlaflose Naechte bereitet. Und dann gibt es nur noch ueber mein rechtes Knie zu meckern, das seit einigen Tagen knirscht...aber sonst geht's mir gut ;-)

So, morgen geht es trotz alledem weiter nach Sueden an der Kueste entlang. Ich werde dann morgen Abend oder uebermorgen mit der Faehre das kurze Stueck auf die Halbinsel Medoc (oder so aehnlich) noerdlich von Bordeaux uebersetzen und am Tag darauf das restliche Stueck nach Bordeaux radeln. Endlich habe ich das Gefuehl, mal echt voranzukommen. Das Wetter momentan fuehrt zu starkem Sonnencreme-Verschleiss. Stuendliches Eincremen mit LSF 20 gestern hat verhindert, dass ich, trotz 9 Stunden in der Sonne, einen Sonnenbrand bekommen habe. Und wer sich fragt, worueber man beim Radeln so nachdenkt: Unter anderem darueber, wie eigentlich Sonnencreme funktioniert und ob es theoretisch auch moeglich waere, Sonnencreme mit LSF 1000 zu entwickeln, so dass man sich direkt in ein Feuer stellen kann ohne verbrannt zu werden? Mh, sind vielleicht irgendwelche Sonnencremeentwickler unter euch?

Sooo, und jetzt beginne ich mit dem, wovon eigentlich dieser Eintrag handeln sollte. Ich habe mir naemlich vorgenommen, weil noch so wenig ueber Paris geschrieben, einen moeglichst repraesentativen Tag auszuwaehlen und euch zu beschreiben, was alles passiert ist. Also:


Freitag, 25. April 2008 - ein Tag in Paris

Ich wache frueh auf in Ralfs Studentenbude in Orsay, etwa 20 Km suedlich von Paris. Meine Seifenloesung ist bereits am Vortag angesetzt worden und bedarf jetzt nur noch einiger Liter Wasser, die ich ihr spendiere. Mein Fruehstueck besteht aus pappigen Baguette vom Vortag und darauf liegenden kuenstlich schmeckenden Salamischeiben sowie geriebenem Emmentaler. Die Pariser Vorstadtbahn, RER, bringt mich nach Paris. Station "St-Michel / Notre Dame" ist die Station meiner Wahl, ich steige aus, kaempfe mich durch eine Station, die von der Groesse her dem hannoverschen Kroepcke aehnelt, schleppe den Seifeneimer ueber zwei Ebenen und komme dann am Platz meiner Wahl vor Notre Dame an. Es ist ein wenig windig, ich bin recht unmotiviert, lasse das Equipment salopp vor mir stehen. Ein paar bosnische Sinti-Frauen mit weiten Roecken kommen, sagen "Give money!"; ich kenne sie aber schon von den vorherigen Tagen, bleibe ruhig und biete ihnen statt Geld Spass an. Sie nehmen also meine Stoecke und machen Seifenblasen, wenn auch nur viele viele kleine, aber sie sind begeistert. Es macht ihnen unheimlich viel Spass. Nach einer Weile wird es mir aber zuviel, sie werden unhoeflich und bedraengen Passanten. Da ich mit diesem Verhalten nicht in Verbindung gebracht werden moechte, bitte ich sie zu gehen und mir ein wenig Platz einzuraeumen. Sie betteln mich wieder um Geld an und gehen dann.

Im gleichen Zuge wie sie gehen kommt eine riesige Gruppe Kinder im Kindergartenalter und umringt mich; deren Erzieher schaetzt die Situation sofort richtig ein und handelt sehr weise: Er zieht mit seinem Schuh einen Kreis um meinen Eimer, Radius 3m und erklaert den Kindern, dass sie hinter der Linie bleiben sollen und dort aber die Blasen zerstoeren koennen, was uebrigens merkwuerdigerweise das Beduerfnis eines jeden Kindes ohne Ausnahme ist. Die Linie funktioniert nur teilweise. Nach ein paar Minuten vergessen die Kids sie und stuermen auf meinen Eimer zu, was dazu fuehrt, dass ich keine Blase mehr hinkriege, weil sie bereits im Entstehungsprozess zerstoert wird. Aber zumindest haben die Kinder Spass. Die Idee mit der Linie nutze ich auch spaeter noch, es funktioniert immer nur teilweise, vermutlich auch, weil mein Franzoesisch nicht ausreicht, um den Kindern klarzumachen, was die Linie bedeutet!

Und nun kommen die Frauen mit den Roecken wieder. Sie tun so, als ob sie zu mir gehoerten, gehen zu den Zuschauern und schnauzen sie in unhoeflichster Art und Weise an: "Speak English? Give money! Money!". Ich versuche ihr klarzumachen, dass ich das nicht moechte, da rennt sie zu meinem Sammelbehaelter und nimmt zwei Euro raus. Ums Geld war es mir nicht schade, aber 1. verbietet jeder Ehrenkodex Geld von Strassenkuenstlern zu stehlen und 2. ist das einfach nur total unverschaemt. Ich laufe also hinter ihr her, bleibe in ihrem Jargon, damit sie mich versteht und rufe laut: "Give my money back! It's my money!". Sie lacht mich zunaechst aus, faengt dann an in einer mir unbekannten Sprache zu schreien und fuchtelt wild gestikulierend mit den Armen. Ich bleibe bei meinem Vorhaben und bekomme am Ende von ihr einen US-Dollar in die Hand gedrueckt, weiss der Teufel wieso. Wer jetzt denkt, ich fuehle mich schlecht, weil ich evtl. eine Obdachlose um einen US-Dollar aermer gemacht habe, der irrt. Sie war absolut unhoeflich, gemein und eine Diebin.

Nach diesem aufregenden Erlebnis, der den gesamten Platz vor Notre Dame in Aufruhr versetzt hat, wasche ich zunaechst mein Equipment und begebe mich dann zur Post, um das Paket, das mir meine Eltern geschickt haben, abzuholen. Inhalt: Hauptsaechlich neue Zeltstangen und Esskram. Ich rufe Mutter an und bedanke mich bei ihr. Es hat mir echt Freude gemacht.

Bei wunderschoenem Wetter setze ich mich daraufhin vors Centre Pompidou, das mittlerweile wegen der vielen gemuetlich am Boden sitzenden jungen Leuten und der Strassenartisten zu meinem Lieblingsplatz geworden ist. Ich hoere einem Gitarre spielenden Asiaten zu, der eine tolle Ausstrahlung hat und belohne ihn reichlich fuer sein Spiel. Da ich meinen Pullover und meine Muetze nicht mehr benoetige, schenke ich beides einer (anstaendigen) bettelnden Obdachlosen und schenke ihr noch einen Muesliriegel, der mit in dem Paket war, und esse ihn zusammen mit ihr.

Beim Anmischen einer neuen Seifenblasenmischung lerne ich zwei Belgierinnen aus Bruessel kennen, die auf Klassenfahrt in Paris sind, aber bereits eine Stunde spaeter wieder abreisen. Die Stunde nutze ich fuer Besorgungen, waehrend die beiden auf meinen Kram aufpassen.

Eine weitere Unterhaltung, diesmal mit einer in Frankreich lebenden US-Amerikanerin und ihrem Freund, zeigt mir, wie wenig Tage man braucht um Athen, Venedig, Paris und London zu sehen: naemlich 8. Die beiden machen diesen Trip tatsaechlich in 8 Tagen, natuerlich mit dem Flugzeug, auch wenn ich selbst das fuer utopisch halte.

Es ist bereits 17.30 Uhr und es beginnt mal wieder - wie schon die Tage zuvor - eine Tibet-Demonstration am Centre Pompidou. Ich binde mir also die bunte Flagge um und begebe mich zu der Demo-Gesellschaft, die zum groessten Teil aus Exiltibetern besteht, die in Frankreich leben, derer es etwa 500 in ganz Frankreich gibt, so erzaehlt man mir. Etwas nach mir kommen auch Lobsang ("you can also call me 'lovesong'") und Celia, die ich beide ein paar Tage zuvor kennen gelernt habe. Lobsang ist ein Exiltibeter, der bereits in Indien im Exil geboren ist und vor fuenf Jahren nach Frankreich gezogen ist. Er bringt mir die Begruessungsformel auf Tibetisch bei: "Tashi Deleck". Celia ist 21, eine fuer Tibet kaempfende Franzoesin, da sie selbst schon in Tibet gewesen ist, denke ich, weiss sie sehr genau, warum sie sich jeden Tag 4 Stunden in Paris auf die Strasse stellt und fuer Tibet kaempft. Dabei ist sie angehende Krankenschwester und arbeitet im Krankenhaus 8 Stunden taeglich. Das nenne ich Einsatz! Leider ist ihr Englisch nicht ganz so gut, sodass uns bald die Gespraechsthemen ausgehen. Lobsangs Englisch dafuer ist hervorragend, was daran liegt, dass die Sprache in tibetischen Schulen in Indien Englisch ist, wobei natuerlich auch Tibetisch gelehrt wird. Am Ende schenke ich Celia noch meinen Schal, den ich noch hatte und ebenfalls nicht mehr brauche und Lobsang gibt mir seine Emailadresse: "If you come again to Paris, don't think of a Hotel, you can stay with me." So verabschieden wir uns also und ich begebe mich wieder zu Notre-Dame und erprobe wieder meine Seifenblasenkunst. Aber es ist windig, die Mischung ist schlecht, weil ich zum ersten Mal franz. Spuelmittel nehmen musste und keinen Tapetenkleister mehr habe, sowie sind in den Abendstunden wenig Touris vor Notre-Dame. Mehr oder weniger allein duempel ich vor mich hinein, geniesse mehr Paris bei Nacht als dass ich Seifenblasen entstehen lasse und werde dann aber von einer Gruppe deutscher Realschueler ueberrascht, die etwa in der 9.Klasse sind und eine Klassenfahrt nach Paris machen, im Rahmen des Franzoesischunterrichts. Es stellt sich heraus, dass es eine Schule in Hannover ist und ich mich wieder einmal frage, wie klein die Welt doch ist. Die begeisterten Lehrerinnen kommen zu mir, wollen mir im Crashkurs Franzoesisch beibringen (offensichtlich wird man seine Rolle als Lehrerin nie los; nicht mal in romantischen Parisabendstunden) und fragen sich dann, warum sie eigentlich Lehrerinnen geworden seien, wenn man auch von Seifenblasen leben koenne (was uebrigens nicht der Wahrheit entspricht...mein Erspartes leidet arg). Es stellt sich zu allem Ueberfluss noch heraus, dass eine der beiden Lehrerinnen in Grasdorf wohnt, am Hotel Haase, was - fuer alle Unkundigen - vielleicht 1Km von meinem Elternhaus entfernt ist. Am Ende drueckt sie mir 5 Euro in die Hand und meint dazu: "Laatzener muessen zusammenhalten." Danke schoen, seh ich genau so ;-)

Am Ende dieses ereignisreichen Tages kommen noch Ralf und sein Physik-Kollege Christian, schauen mir kurz zu, woraufhin ich einpacke und wir alle zusammen in nen Jazz-Club im lateinischen Viertel (echter Name: Quartier Latin) gehen und den Abend ausklingen lassen. Um Mitternacht fahren wir heim.

So, warum ich euch jetzt diese lange Geschichte geboten habe? Irgendwie hatte dieser Tag von fast allem, was ich in Paris ueber die zwei Wochen gemacht und erlebt habe, ein bisschen. Na gut, eine Sightseeing-Tour war auch noch dabei und auch Versailles...und ZDF-Kochsendungen schauen in der Bibliothek...und...und...und...

Ich sende euch jetzt ganz liebe Gruesse und, wenn alles klappt, melde ich mich in nicht allzu langer Zeit aus Spanien wieder.

Kommentare sind wie immer erwuenscht.

Meinen Grosseltern, die in vier Tagen "Eiserne Hochzeit" feiern, sende ich hiermit auch schonmal herzlichste Glueckwuensche und wuensche eine schoene Feier. Jemand, der mit ihnen Kontakt hat, moege ihnen diese Gruesse doch uebermitteln.

Und zum Schluss noch ein Zitat, das ich mochte. Auf der Stadtfuehrung in Paris erklaert unser Fuehrer, dass es beim Eiffelturm immer teurer wird je hoeher man moechte und meint dazu: "So it depends on your budget how high you get - just like in Amsterdam."

Und damit schliesse ich. Euer Flo

Mittwoch, 30. April 2008

Tours

Leute, danke fuer eure E-Mails und eure Kommentare. Diesmal nur ganz kurz als Lebenszeichen:
Es ist unheimlich viel passiert in den letzten Wochen, war tatsaechlich knapp zwei Wochen durchgaengig in Paris und habe mich dann auf den Weg Richtung Sueden gemacht. Ich habe mich die letzten Tage an der Loire entlang geschlaengelt, befinde mich momentan in Tours und werde wahrscheinlich morgen oder uebermorgen nach Chinon fahren. Von dort aus Richtung Suedwesten, um ein paar Tage spaeter in Bordeaux anzukommen.
Ich hatte sehr viele interessante, kuriose Begegnungen, habe Paris mit Seifenblasen erheitert, Laatzener dabei getroffen, habe mein Fahrrad immer und immer wieder reparieren muessen, habe auch viel Spass gehabt und vor allem Naechte in Paris genossen.
Genaueres gibt es hoffentlich hoffentlich in den naechsten Tagen. Ich haette so unheimlich viel zu erzaehlen, aber mir fehlt die entsprechende Musse momentan. Seid bitte geduldig.
Ich muss jetzt erstmal meine Gedanken ordnen.

Ganz liebe Gruesse von eurem Sohn, Bruder, Neffen, Enkel, Freund und Bekannten Florian

Mittwoch, 16. April 2008

Paurise

Gerade in einer riesigen neumodernen Bibliothek sitzend, das kostenlose Internet geniessend und die franzoesische Tastatur hassend, befinde ich mich etwas noerdlich einer kleineren, aber dafuer umso beruehmteren Kirche Frankreichs: Die Kathedrale von Notre-Dame.

Und damit ein herzliches "Bonjour" aus Paris, der Mitte Frankreichs und vielleicht Europas. Meinen ersten Eintrag aus meinem dritten Reiseland, das fuer eine lange Zeit dasselbige bleiben wird, widme ich meinen geschundenen Oberschenkeln, meiner vom Wind zerissenen Gesichtshaut und auch meinen Hinterradbremsen, die ungluecklicherweise voruebergehend deaktiviert werden mussten.

Nach dem bisher fuer mich strapazioeseten Abschnitt meiner Tour, der Etappe von der Kueste ins Landesinnere nach Paris, immer versuchend dem Sued(west)wind auszuweichen, aber daran scheiternd, bin ich schlussendlich unter Zuhilfenahme meines ersten Zuges seit Amsterdam in Paris, Gare du Nord, gluecklich vor mittlerweile drei Tagen angekommen.

Mein Tacho zeigt 1200 Kilometer, meine Beine schreien mehr. Nachdem ich in Bruegge gestartet bin, einen herrlichen Mittagsraviolibrunch mit Huriel aus Quebec-City in Oostende am Strand genossen habe und dann weiter der Kueste entlang nach Dunkerque, meiner ersten groesseren franzoesischen Stadt angekommen bin, habe ich mir immer wieder vorgenommen, eine Pause einzulegen. Erst 6 Tage spaeter, an denen ich durchschnittlich 80 Kilometer im Gegenwind gefahren bin, bzw. sicherlich ein Viertel der Strecke mein Fahrrad geschoben habe, entschied ich mich voellig entkraeftet in Beauvais, etwa 80 Kilometer noerdl. von Paris, den Zug zu nehmen. Dieser Vorabend, an dem ich in Beauvais eingerollt bin, war ein fuer mich ganz schrecklicher; mich fragend, ob nach Hause fliegen oder sterben die bessere Alternative waere, fuehlte ich mich durch eine Kette ungluecklicher Ereignisse ganz allein und verlassen, ein Kloss im Hals verwehrte mir das Sprechen, das leere Gefuehl im Magen konnte auch durch drei Cheeseburger nicht bereinigt werden. Der Campingplatz in Beauvais, der einen Anker fuer mich darstellte, eine Rettung, war geschlossen, wie ich deprimiert nach weiteren Kilometern bergauf feststellen musste. Wildcampen kam nicht in Frage, da ich unbedingt unter Menschen sein musste, um nicht an den quaelenden Gefuehl allein zu sein zu Grunde zu gehen. Also nahm ich meine letzte Kraft zusammen, strampelte zum Bahnhof, ass genuesslich meine letzte Prinzenrolle und trudelte eineinhalb Stunden spaeter in Paris ein, wo ich zum naechstgelegenen Hostel namens "Woodstock" schob, in meinem Zimmer einen Schweden kennen lernte, dem ich erstmal alles erzaehlt habe. Es musste raus, er hoerte zu, wir verstanden uns gut. Er machte mich darauf aufmerksam, dass ich total rot im Gesicht sei und erst da fiel mir auf, dass ich sowohl im Gesicht als auch auf den Handruecken einen waschechten Sonnenbrand hatte. Nach Versorgung des Brandes und einer grossen Portion Nudeln fiel ich todmuede ins Hostel-Bett. Ich war in den vorherigen Tagen immer so muede, dass ich nicht einmal tagsueber ein Buch lesen konnte. Der Sinn der Worte und Saetze blieb unverstaendlich.

Und nun aber ein ganz grosser Cut: Nach mittlerweile drei Naechten in Paris, viel viel zu essen und jeden Tag nur etwa 20Km innerstaedtisch radeln, fuehle ich mich wieder fast vollstaendig rehabilitiert. Mir geht es ganz unheimlich gut und das liegt daran, dass mir das groesste Glueck zuteil wurde, das ich mir haette vorstellen koennen:

Vorgestern Abend war ich auf Geheiss einer Australierin, die ich im Hostel kennen gelernt hatte, zu einer traumhaften Veranstaltung im tollsten Buchladen, den ich je gesehen habe. Am suedlichen Seine-Ufer, schraeg gegenueber von Notre Dame, ist er zu finden, der englische Buchladen "Shakespeare & Company". In einem vielleicht 15qm-Raum mit vielleicht 40 Zuschauern wurden Poems rezitiert, eigene zum Besten gegeben und Musik gemacht.
Nicht nur diese Veranstaltung, auch der Buchladen an sich ist herausragend: klein, enge Gaenge, antikes Flair, unten Verkauf, oben urgemuetliche Buecherei - und das beste: Im Obergeschoss stehen zwischen all den Buechern Betten und liegen Matratzen. Und fuer wen? Jeder, der taeglich 2 Stunden in dem Buchladen aushilft, kann voellig unbuerokratisch diese Betten benutzen und in diesem Buchladen naechtigen. Ich dachte also, ich haette meine Bleibe fuer die naechsten Tage gefunden, aber es kam anders:
In dieser Wohnzimmer-Atmosphaere des Buchladens lernte ich Ralf kennen, einen deutschen Physik-Doktoranden, der vor kurzem aus seiner Studentenbude in eine eigene Wohnung gezogen ist; und nun koennt ihr euch vorstellen, was kommt. Fuer diejenigen, die es nicht koennen: Die Bude steht also leer und er ueberlaesst mir for free diesen Raum, fuer unbestimmte Zeit. Ich wohne also jetzt suedl. von Paris in Orsay, in 40 Minuten per RER erreichbar, fuer umsonst, habe Bett, Waschbecken im Zimmer, sowie Kueche, Dusche und Klos auf dem Gang. Es ist einfach genial, es koennte einfach nicht besser sein. Genau aufgrunddessen werde ich mich morgen intensiv um einen Franzoesischkurs kuemmern, aber - abgesehen davon, ob ich einen finde oder nicht - werde ich fuer einige Tage oder wenige Wochen in Paris bleiben und den Flair dieser Stadt geniessen. Paris by night habe ich bisher einmal gesehen, aber das reicht nicht. Wow!!
Um das grosse Glueck perfekt zu machen, bin ich heute mit 7 Litern Seifenlauge in brechendvoller RER in die Stadt gefahren und habe zum zweiten Mal auf dieser Tour sehr erfolgreich Seifenblasen gemacht. 2 Stunden vor Notre Dame haben mir 35 Euro eingebracht und habe viele viele glueckliche Kinder- und Fotografengesichter gesehen, die sich beide gleichermassen ueber die Seifenblasen freuen, wenn auch vielleicht aus unterschiedlichen Motiven... (mh, jemand das Wortspiel verstanden?). Es sind dabei auch ein paar tolle Fotos mit meiner Cam entstanden, die ich hier aber nicht hochladen kann. Vielleicht beim naechsten Mal.
So, morgen werde ich wohl eine "alternative" Stadtfuehrung mitmachen, von angeblich sehr enthusiastischen Studenten geleitet. Ich bin gespannt; der Louvre steht Freitagabend auf dem Programm, weil da immer kostenloser Eintritt. Und den Eiffelturm werde ich wohl auch noch besteigen; bin zwar schon einige Male daran vorbeikommen, aber konnte nur ueber die Tourimassen laecheln und bin weitergeduest. Wenn jetzt schon solch lange Schlangen am Eiffelturm warten, wie sieht das in der Tourihochsaison aus?
So, ich denke, ich werde mir jetzt noch intensiver diese grossartige Bibliothek anschauen und vielleicht ZDF schauen, was hier moeglich ist. Informationstechnisch liege ich wohl irgendwie im Rueckstand. Wie siehts denn momentan in Tibet aus?

So, jetzt noch kurz ein Wort zur Ueberschrift: Die ist mir gestern Abend eingefallen, als ich mein Bett genossen habe und von einer Afrikaraddurchquerung getraeumt habe.
"Paurise" ist auf irgendeine verrueckte Art und Weise zusammengesetzt aus "Paris" und "Pause", die ich mir wie oben beschrieben verdient habe.
Ein seifiger Gruss aus Paris, euer Flo

P.S. Mir faellt auf, dass ich kaum etwas zu meinen Unterkuenften der letzten Woche geschrieben habe...da waere zum Beispiel der Kuenstler Kevin aus Bethune, der mit dem stinkenden Hund; oder Benoit, der in Muenchen lebende franzoesische Gartenbauer; oder ...

P.P.S. Den Reise-Spiegel, den der schottische Kollege mir geschenkt hat, habe ich weiterverschenkt...wofuer brauche ich nen Spiegel auf dieser Tour? Ich kann mich auch im Wasser spiegeln...

Dienstag, 8. April 2008

Von gelebten und zerplatzten Traeumen

Ich kann mir vorstellen, dass ihr sehnsuechtig auf weitere Berichterstattung von mir wartet. Euer Warten soll jetzt ein Ende haben. Die letzten Tage waren aufregend, frustrierend, impulsiv und immer wieder gespickt mit sehr gluecklichen Momenten. Ich will euch nicht allzu lange auf die Folter spannen, ich werde euch - ausschnittweise - berichten von den letzten fast zwei Wochen, in denen ich nicht dazu gekommen bin/keine Lust hatte, den Blog mit Buchstaben zu fuellen. Ich hoffe, zumindest die Fotos von letzter Woche haben euch ein wenig ueber diese sicherlich sehr schrecklichen Tage hinweggetroestet.
Der letzte Text-Eintrag stammt aus Rotterdam, das scheint fuer mich jetzt so weit zurueckzuliegen, als sei es eine separate Reise. Dies scheint wohl damit zusammen zu haengen, dass ich mich ueberhaupt nicht wie ein typisch Reisender fuehle. Ich hetze nicht umher, ich schaue mir nicht unbedingt die manchmal ach so daemlichen Sehenswuerdigkeiten an, sondern ich geniesse die Freiheit zu sein. Einfach nur zu sein. Never had this feeling.
An Rotterdam schlossen sich zwei wunderbare Tage in einer Emmaus-Lebensgemeinschaft an, die mir ein Zusammenleben mit ihnen in ihrer oder in einer weiteren Emmaus-Gemeinschaft im Sueden Hollands anboten. Ich lehnte dankend ab, hinweisend auf mein Gefuehl, ich muesste erst noch mehr sehen, mehr Inspiration bekommen, mehr Menschen kennen lernen, um daraufhin zu entscheiden, was das ist, was ich moechte. Die Menschen dort nahmen mich herzlich auf, wir assen, redeten und lachten zusammen, spielten mit der kleinen, die ihr auf dem Bild im vorigen Eintrag seht, fruehstueckten am naechsten Morgen gemuetlich zusammen. Weil ich durchgefroren, mit nassen Klamotten dort ankam und auch so losfahren wollte, gaben sie mir aus ihrem reichlichen Fundus einen endlich wunderbar warmen Fleece-Pulli und ein Kissen, das ich zwar mit Absicht zu Hause vergessen hatte, mir aber mittlerweile klar ist, dass ich ohne nicht leben bzw. schlafen kann.
Es folgten mehrere sehr ereignisreiche Tage in Antwerpen, wo ich vier Naechte verbracht hatte und dabei drei verschiedene Schlafplaetze: Eine Nacht im Zelt, die zweite Nacht bei einer Psychologie studierenden Studentin, die aus Geldmangel in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz lebt und studiert und mir netterweise den halben Wohnwagen umbaute (Tisch zusammenklappen, Moebel verruecken etc.), damit ich dort Platz zum Schlafen hatte. Ihre gute Menschenkenntnis verriet ihr, dass ich vollkommen in Angst vor dem unheimlichen rechtsradikalen Schotten war, und ich deshalb nicht im Zelt schlafen koenne, zumal genau jener Schotte in der Nacht zuvor eine Stange meines Zeltes im betrunkenen Zustand ueber mein Zelt fallend zum Splittern gebracht hat.
Die dritte und vierte Nacht nahmen mich Dries&Roula auf, die im vorigen Beitrag netterweise ein Kommentar hinterlassen haben. Ironischerweise lernte ich Dries genau ueber jenen besoffenen Schotten kennen. Die ganze - verrueckte - Geschichte gibt es zu Hause, falls ich bis dahin nicht noch viel Verrueckteres erlebe.
Im Anschluss an Antwerpen folgten die bisher frustrierendsten Tage - verbracht in Bruessel. Zwischendurch aufgeheitert durch das erste Mal auf dieser Tour SEIFENBLASENMACHEN, war ich doch insgesamt deprimiert. Es ist vieles schief gelaufen, das Wetter tat immer wieder sein Uebriges. Am ersten Tag kam ich spaet an, suchte vergeblich nach einem vernuenftigen Schlafplatz und fand erst spaet eine Kommune, "La Poudriere", die mir fuer eine Nacht aufnahmen. Der zweite Tag, oder eher Vormittag, war nett, weil die Menschen sich auf und neben dem Grand Place in Bruessel, DEM Platz in Benelux schlechthin, an meinen Seifenblasen ergoetzten. Ich lernte ein nettes Maedel aus Passau kennen, dessen Namen ich leider nicht weiss (Falls du das hier liest, schreibe mir!). Wir verbrachten ein paar Stunden zusammen und inspirierten und faszinierten uns irgendwie gegenseitig, bis ihre in Bruessel studierende Freundin anrief und sie abkommandierte zur Besichtigung des EU-Parlamentes. Ich kritzelte ihr nur noch schnell meine Mailadresse auf die Tibet-Postkarte, schmiss sie ihr quasi hinterher, und hoffe darauf, dass sie sich irgendwann mal meldet. Ungluecklicherweise vergass ich in der Aufregung zu fragen, ob ich evtl. u. U. bei ihr bzw. ihrer Freundin pennen koennte. Diese Frage zu vergessen passiert mir fast nie. Das Unglueck nahm seinen Lauf. Ich suchte sehnsuechtig nach einer Unterkunft, zwei Typen auf nem Balkon, denen ich einen Ball mit Nachricht zuwarf, wollten mich nicht, da dies nicht ihr Apartment sei...also musste ich die letzte in Frage kommende Moeglichkeit in Angriff nehmen: Ich rackerte mich ab, 9 Km im HUEGELIGEN Bruessel zum Campingplatz zu fahren, um dann festzustellen, dass es viel sinnvoller gewesen waere, zum Campingplatz im Sueden zu fahren, weil der mehr auf meinem Weg zur Kueste lag. Ich baute also im stroemenden Regen gefrustet mein Zelt auf und fragte mich, was ich hier eigentlich tue. Da ich etwas ruckartig, weil so deprimiert, mein Zelt aufzubauen versuchte, brach mir dabei zu allem Ueberfluss auch noch die Stange am Kopfende. Splitterte. Versagte ihren Dienst. Gottseidank konnte ich mit viel Panzertape und einem Ersatzteil, das ich ganz zufaellig in einem Jack Wolfskin-Store in Antwerpen bekommen habe, die Stange reparieren, mein Zelt aufbauen und mich endlich dortrein legen.
So, werde jetzt nicht so weit ausschweifen, aber die naechsten zwei Tage sahen aehnlich aus. Versuchte auf den anderen Campingplatz im Sueden zu fahren, Regen, Regen, Regen, stellte fest, dass der nicht existiert. Dann also zur Jugendherberge in der Stadt, weil so dermassen gefrustet. Tja, es war Samstag, und die Jugendherberge vollkommen ausgebucht. Andere JH auch voll. Ich am Verzweifeln, triefnass. Dann die rettende Idee: Die Regenbogen-Kommune ist doch in der Naehe, oder? Hingefahren, wieder nett aufgenommen worden und verkoestigt. Zwischendurch immer wieder fast von Autos an- und umgefahren worden, weil Bruessel absolut nicht fahrradtauglich ist.
Am Sonntag dann entschied ich mich direkt nach Gent zu fahren, und Bruessel zu vergessen. Eins von Bruessel wird mir aber in Erinnerung bleiben: Die bescheuertste Sehenswuerdigkeit, die ich je gesehen habe. DAS Wahrzeichen Bruessels ist eine etwa 50cm grosse pissende Statue an einer unbedeutenden Haeuserecke stehend, genannt "MAENNEKEN-PIS". Die organisierten japanischen Bustouren fuehren natuerlich genau dahin. Damn shit!
So, die naechste Nacht verbrachte ich wieder nach einer Tortur, diesmal im Matsch, auf einem Campingplatz in Gent und frierte wie nie zuvor. Es muessen Minusgrade gewesen sein und ich lag splitterfaser***** in meinem Zelt, weil ich die Gelegenheit nutzte, endlich mal, zum ersten Mal, meine Klamotten - und zwar ALLE - in der Waschmaschine zu waschen und im Trockner zu trocknen.
Genervt von dieser Nacht entschied ich, in Bruegge, wo ich mich right now befinde, ein Hostel aufzusuchen, um wieder ein vernuenftiges trockenes Bett zu haben, gutes Fruehstueck und nette Leute um mich herum. Ich lernte natuerlich gestern Abend prompt zwei unheimlich nette Amerikanerinnen aus Cincinnati kennen, die mein 8er-Dorm mit mir bewohnen, verrueckt, rosa, und auf EURAIL-Tour sind. Sie, sowie der Kanadier aus Quebec, der auch mit im Zimmer ist, reisen morgen wieder ab. Genau das werde ich uebrigens auch tun .... und nun:
Ich habe mir die letzten Tage durch den Kopf gehen lassen, was ich noch sehen moechte und wohin es mich zieht. Aufgrund dieser Tatsache habe meine Route stark ueberarbeitet. Ich werde nicht nach Grossbritannien fahren. Obwohl ich so gern die Summerhill-Schule in England, sowie Matthew und andere Englaender, die ich bisher getroffen habe, besucht haette, traf ich die Entscheidung, direkt mich fuer einige Wochen, vermutlich Monate in Frankreich aufzuhalten, mich immer Richtung Sueden haltend. Ich werde ausserdem versuchen, in den naechsten Tagen in Frankreich in irgendeiner mittelgrossen Stadt einen Franzoesisch-Crashkurs zu finden, der mir das wichtigste Franzoesisch fuer die Reise beibringt. Ich denke an einen 1- bis 2-woechigen Intensivkurs. Ich tue dies, weil ich in den letzten Wochen ein immer groesser werdendes Beduerfnis verspuere, auf anderen Sprachen zu kommunzieren, also neue Sprachen zu lernen oder mein Englisch zu verbessern. Lerne sogar seit einer Woche wieder jeden Abend neue Englischvokabeln, die ich aus meinem Woerterbuch abschreibe. Ich habe das Gefuehl, dass wir Deutschen im Vergleich zu Belgiern oder Niederlaendern Sprachenwracks sind. Vorgenannte sprechen mindestens drei Sprachen - meist alle fast fliessend. Ich plaediere dafuer, in Dtld. ab jetzt keine englischen Filme mehr zu synchronisieren, damit - wie hier - die Leute die englische Sprache quasi nebenbei lernen.
Ich spreche hier fast nur noch Englisch und war sogar am Ueberlegen, ob ich ab jetzt auch nur noch englische Eintraege auf dem Blog hinterlasse, aber die meisten von euch schaetzen doch die deutsche Sprache mehr - oder zumindest verstehen sie besser :)
So also mein Plan fuer die naechsten Wochen. Wie genau ich Frankreich durchreise, steht noch in den Sternen. Ich werde in Bibliotheken Atlanten und Fahrradkarten waelzen und mir auch vernuenftige Karten zulegen, um daraufhin zu entscheiden, was die beste Route ist.
Heute habe ich mir die mittelalterliche Stadt Bruegge angeschaut und fuer schoen befunden. Heute Abend wird wohl noch ein bisschen mit den Ammis geschnackt und dann gehts morgen frueh Richtung Frankreich. Gehe davon aus, dass ich die Grenze morgen ueberfahren werde und damit in mein drittes Reiseland komme.

Sooo, ihr koennt euch vorstellen, dass ich nicht ganz alle Erlebnisse habe notieren koennen und wollen, ich hoffe, das reicht, damit ihr euch ein Bild machen koennt.

Liebe Gruesse, Flo

Mittwoch, 2. April 2008

Endlich Fotos!

Hier endlich ein paar visuelle Impressionen:

Irgendwo zwischen Enschede und Amsterdam

Das bisher einzige Loch im Reifen, irgendwo in Holland

Mit Freunden aufm Campingplatz in Amsterdam

Regenbogen-Moses

Ein Duett

Mein Rad und der Campingplatz in Amsterdam im Schnee


Abfahrtstag, Richtung Den Haag

Das erste Mal das Meer gesehen...Zaandvoort bei Harleem


Neues aus dem Kuriositaeten-Kabinett


Meine Abendgesellschaft in Rotterdam



Auf ner Sightseeing-Tour in Rotterdam


Waehrend der Fahrt fotografiert, kurz vor Breda ... habe starken Gegenwind und nutze hier den Windschatten, der von den breiten Herren vor mir produziert wird. Deshalb schaue ich auch gerade so happy!

Die neun Monate alte Kassy aus der Lebensgemeinschaft in Breda


Kassy und ihre Mama

Yeaah, wieder ein Grenzuebergang! Wirklich ein gutes Gefuehl!

Das Resultat von der Nacht, in der mein besoffener schottischer Zeltnachbar mein Zelt mit seinem verwechselt hat und dann das Gleichgewicht verloren hat...


Hier isser...darf ich vorstellen: John McCain

Gestern Abend auf nem Raggae-Gig von der Gruppe "Groundation" in Bruessel


Die beiden Kerle, mit denen ich auf dem Konzi war. Bei Dries (re.) wohne ich momentan.

Vor ein paar Minuten entstanden...
Liebe Gruesse aus Antwerpen, Flo

Freitag, 28. März 2008

Holland, Holland, immer nur Holland

Des Nachts und/oder unter LSD-Einfluss blueht die Kreativitaet eines jeden Menschen auf. So auch bestaetigte bereits Isa* aus Osnabrueck diese These, indem sie mir ihren auf Trip bemalten Nachtschrank demonstrierte, der mitnichten nuechtern in solch halluzinierender Art und Weise haette bemalt werden koennen. Vielleicht waere van Gogh in der Lage gewesen, vielleicht aber - so vermute ich - auch der nicht. Auch Dominique*, Isas ach so nach aussen hin gesetzte Freundin, bewies mir mit ihrem meterlangen verwirrend bunten Kuenstlerast die kreative Wirkung von der Goa-Droge.
Ich fuer meinen Teil habe gaenzlich auf alle Arten von bewusst herbeigefuehrten Wahrnehmungstaeuschungen verzichtet. Das ist umso ueberraschender, da ja jeder doch um die liberale Drogenpolitik der Hollaender weiss. Aber irgendwie erfuellt es mich mit Stolz, zu wissen, dass ich nur noch etwa 70Km bis zur Grenze habe und drogenfrei Holland durchfahren haben werde.
Nun fuer alle Spekulanten unter euch: Ich bin gerade in Rotterdam, das erste Mal richtig offiziell in einem grossartigen Hostel untergekommen. Die gute Frau vom Rotterdamer Campingplatz sorgte sich muetterlich um mich, verzichtete auf das Uebernachtungsgeld, das sie von mir bekommen haette, und empfahl mir dringend, weil der Boden so nass und die Nacht so kalt sei, nicht im Zelt zu naechtigen. Da ich Sorge hatte, die gute Dame koenne nicht schlafen wegen der Angst um mich, versicherte ich ihr mich in ein Hostel zu begeben und tat dann auch, wie mir geheissen.
Das Hostel ist toll, belebt, wunderbar, weshalb ich entschied, auch heute noch hier zu bleiben. Hier zwei Hamburgerinnen kennen gelernt, wovon eine panische Angst vor meinen Glockennudeln im Spuelwasser hat. Haben heute einen Stadtspaziergang aehnlich dem roten Faden in Hannover gemacht, im Regen, versteht sich. Rotterdam ist nicht unbedingt mehr als einen Tag wert, wie ich traurig feststellen musste.
Morgen fahre ich in den Morgenstunden weiter nach Breda und kann dort hoffentlich in einer Kommune uebernachten. Dann fuehrt mich meine Planung nach Antwerpen, dann nach Bruessel und von dort wieder Richtung Kueste und besuche Mannis Tipp "Bruegge" - wo ich allerdings sowieso hingefahren waere, da mein Interrail-Buch dieser Stadt als einziger in Belgien 3 Sterne verpasst hat - und das will was heissen.
Wie man liest, lebe ich immer noch nicht von Tag zu Tag, sondern plane gemaess meiner Natur immer einige Tage im Voraus. Ich strebe an irgendwann auf dieser Tour planungsfrei zu sein und einfach in den Tag hineinzuleben, weil ich glaube, dann zu einer gewissen Selbsterkenntnis zu gelangen. Ausserdem arbeite ich auch weiterhin an anderen Charaktereigenschaften, die ich an mir selbst nicht ausstehen kann: Egoismus, Perfektionismus ... must be killed!
Bevor ich zur Selbsterkenntnis komme, steht aber bereits eine andere Erkenntnis im Vordergrund: Naemlich diejenige, dass mein Fahrrad demnaechst eine Rundumerneuerung braucht - die Hinterradfelge hat einen maechtigen Schlag, was das Fahren von Tag zu Tag anstrengender macht. Aber ich denke, ich werde sie fahren, bis auch sie gestorben ist. Meine Kette stirbt momentan auch den Heldentod. Sie ist verrostet.
Jetzt noch fuer alle Stalker, Neugierige und Atlasenthusiasten...meine bisherige Route: Amsterdam - Haarlem - Zaandvoort - Den Haag - Delft - Rotterdam. In Den Haag bot mir der Dortmunder Guenther* mit seiner 16-koepfigen Camper-Truppe eine Unterkunft fuer zwei Naechte in seinem Anhaenger, wo ich ca. 1000x so viel Platz hatte wie in meinem Zelt! Ein Dank ist an dieser Stelle ueberfluessig, weil die Truppe nicht zu den Selektierten gehoert, die diese Blog-Adresse bekommen haben. Mittlerweile habe ich schon so viele Menschen kennen gelernt, dass ich sie 1. verwechsle und 2. echt ueberlegen muss, an wen ich mich wohl bald noch erinnern werde. Diejenigen bekommen dann auch eine Tibet-Postkarte und Blog- und Emailadresse.

Ich merke, dass meine kreative Phase ein jaehes Ende gefunden hat, ausserdem kaut gerade der Hostel-Hund an meinen Schuhen rum, deshalb noch das Wichtigste in Kuerze:
- Die beiden Aepfel, die ich von Tante mitbekommen hatte, waren die leckersten, die ich je gegessen habe - zumindest kam es mir tatsaechlich so vor.

- Endlich konnte ich den Mankell tauschen und lese dafuer ein Stueck dt. Literaturgeschichte: Die Blechtrommel von Grass. Die Tage dazwischen konnte ich gut mit Schopenhauers Aphorismen abdecken, von denen ich bereits 20 Seiten, aber dafuer 3x gelesen habe ...

- Papa, ob H.H. mein Lieblingsautor ist, vermag ich noch nicht zu beurteilen. Zumindest weisen unsere inneren Biografien Aehnlichkeiten auf.

- Ich habe bereits eine Entwicklung durchgemacht. Wenn ich versehentlich mein Essen fallen lasse, denke ich nicht mehr: "Oh nein, Bakterien, ich werde krank..." , sondern "Mist, schon wieder Sand zwischen den Zaehnen..."

- Die Kommentare zu den letzten Beitraegen waren allesamt nett geschrieben und troesten mich tatsaechlich sehr ueber die etwaige Einsamkeit hinweg. Ich danke euch sehr dafuer! Lola*, die Hamburgerin meinte, ihre Work&Travel-Erfahrungen in Australien haetten ihr gezeigt, dass die ersten zwei Wochen einer solchen Reise schwierig seien, aber man sich schnell an das Leben aus dem Rucksack (oder eben aus den Fahrradtaschen) gewoehnt.

- Max, es tut mir leid, aber am 6.4. werde ich wohl kaum in London sein. Ich reise einfach so verdammt chillig und das ist auch wirklich gut so!

In diesem Sinne, enjoy your life

Euer Flo, der lebt und lebt und lebt

* Name von der Redaktion geaendert.

P.S. Ich wollte euch eigentlich Fotos hochladen, aber es funktioniert aus irgendwelchen Gruenden nicht. Sorry!

Sonntag, 23. März 2008

Schneehagel, Hagelschnee, Schneeregen, Regenschnee...

Hallo ihr lieben Daheimgebliebenen, so eben sind die 15 deutschen Freunde wieder gen Hannover abgereist. Sie haben mich wieder ein wenig in die Welt des Normalen gefuehrt: 4 Tage lang ein warmes Bett, ein warmes Zimmer, die Moeglichkeit endlich wieder den Aggregatzustand meiner Klamotten zu aendern: Von fluessig zu fest!
Und nun sind sie weg, ich wieder mit mir allein. Ich bleibe jetzt noch vielleicht ein, vielleicht zwei oder auch mehr Tage in Amsterdam, warte auf hoffentlich bald besser werdendes Wetter; ich hatte mir ja vorgenommen, das Wetter (das ja eigentlich Unbedeutendste dieser Erde) niemals zu thematisieren, moechte aber aufgrund der aktuellen Situation doch dieses zum Thema machen: Es regnet, es schneit, es hagelt, es windet - ich denke mir aber: es kann nur besser werden! Diesmal ist das wohl keine Floskel. Als ich letzte Woche in Osnabrueck eingefahren bin, konnte ich aufgrund meiner erfrorenen Finger nicht einmal mehr die Schaltung bedienen, ganz zu schweigen von immer wieder noetig werdenden kleinen Reparaturen am Fahrrad. Aber ich hatte das Glueck, in Osnabrueck bei zwei sehr netten Menschen wohnen zu koennen (mein Dank geht an Moritz & Anne, die ein Kind erwartet und demnaechst in unsere hannoversche Nordstadt ziehen). Ich konnte dort mit Moritz' Wunderheilmittel, genannt Heilerde, meine Magen-, Darmprobleme kurieren und sogar noch einen weiteren Tag dort bleiben, den ich fuer Anschaffungen genutzt habe: Ich bin also jetzt stolzer Besitzer eines Schals und von Handschuhen (die mir freundlicherweise Valle ueberlassen hat). Die naechste Nacht verbrachte ich in Enschede, einer wunderschoenen hollaendischen Kleinstadt in der Lebensgemeinschaft "De Wonne", wo ich sehr nett aufgenommen und auch verkoestigt wurde. Die Tatsache, dass die aufgenommenen und mit mir in einem Zimmer schlafenden Menschen von der Strasse ihrer Lust froehnen musste, tat der netten Behandlung in der Lebensgemeinschaft keinen Abbruch. Ich habe entschieden, meine Tour ein wenig anhand der Lebensgemeinschaften auszurichten, weil es meist kein Problem ist, dort zu uebernachten.
Von Enschede fuehrte mich mein Weg nach Amsterdam. Aufgrund meiner Krankheit und dem fahrradfahrerfeindlichen Wetter wurde meine Bike-Tour eher zu einer Interrailtour. Nur 200 Kilometer fuhr ich mit dem Fahrrad, den Rest auf Schienen.
Die letzten 4 Tage haben wir auf einem Campingplatz suedlich von Amsterdam verbracht, direkt neben dem Flughafen Schiphol liegend, was mich doch stark an Basti erinnerte, der ja einen Tag vor mir dort umgestiegen ist. Haben uns ein wenig Amsterdam angeschaut, sofern das bei Dauerregen machbar war, aber vor allem gemuetlich auf dem Campingplatz gechillt. Die Zeit ging doch viel zu schnell vorbei. Meine Angst, ich wuerde nach diesem Treffen wieder nach Hause wollen, hat sich allerdings nicht bestaetigt. Ich bin zwar gerade ein wenig sentimental und auch melancholisch, aber sehr motiviert. Ich vermisse euch zwar ein bisschen, aber freue mich einfach so sehr auf die Orte, die ich noch gern sehen moechte, dass es mich fuer negative Stimmungen resistent macht. Hoffe, das Wetter laesst ein Weiterfahren zu. Ich denke, ich werde mich an der Kueste gen Sueden bewegen, durch Haarlem, Den Haag, vielleicht Rotterdam Richtung Calais in Frankreich und hoffe am 6. April in London zu sein, damit ich beim Fackellauf fuer Tibet dabei sein kann. Ich mach mir jedoch keinen Druck und plane wegen des Wetters nur kurze Tagesetappen.
Ich kann euch leider kein Foto hochladen, wirklich Sehenswerte sind auch noch gar nicht entstanden.
Ich hoffe, dass es euch auch gut geht und darauf, euch vielleicht irgendwo zu treffen.
Matthew sehe ich hoffentlich in Middlesborough oder Hull ... :-)
Meine heutige Uebernachtungsmoeglichkeit ist bereits gesichert. Auf dem Campingplatz schlafe ich in einer Huette bei 4 Leuten aus Muenchen.
Ganz liebe Gruesse vom wieder gesunden und vor Kraft strotzenden Flo!